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Zugang eines Kündigungsschreibens während des Urlaubs des Arbeitnehmers

Aus aktuellem Anlass möchten wir Sie auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2012 hinweisen, in dem es um die Zustellung eines Kündigungsschreibens während des Urlaubs eines Arbeitnehmers geht.

In der Praxis kommt es immer wieder zu Streit über den Zugang eines Kündigungsschreibens. Kündigungsschreiben können entweder persönlich oder aber auf anderem Wege zugestellt werden. Gebräuchlich ist die Zustellung eines Kündigungsschreibens per Boten und Einwurf in den Hausbriefkasten. Wie ist es aber, wenn sich der Mitarbeiter zum Zeitpunkt des Einwurfs in den Briefkasten im Urlaub befindet? Welche Fristen laufen? Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit diesen Fragen in einer aktuellen Entscheidung befasst und die bisherige Rechtsprechung weiter konkretisiert und bestätigt (BAG, Urteil v. 22.03.2012 - 2 AZR 224/11).

Der Fall (verkürzt)

Der klagende Arbeitnehmer war bei dem beklagten Krankenhaus seit Februar 1983 als „OP-Pfleger“ beschäftigt. In der Zeit vom 12. bis 27. Juni 2009 hatte er Erholungsurlaub und hielt sich im Ausland auf. Die Auslandsadresse war dem Arbeitgeber nicht bekannt.

Bei seiner Rückkehr am 27. Juni 2009 fand er in seinem Briefkasten ein Kündigungsschreiben vom 25. Juni 2009 und ein weiteres vom 26. Juni 2009 vor. Im Schreiben vom 25. Juni 2009 erklärte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen „Arbeitszeitbetrugs“ am 2. Juni 2009. Im Schreiben vom 26. Juni 2009 erklärte sie eine außerordentliche Kündigung, weil der Kläger am 12. Juni 2009 unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei, um seinen Urlaub „mit einem Flug nach K vorzeitig anzutreten“.

Am 9. Juli 2009 erhob der OP-Pfleger Klage beim Arbeitsgericht, um mit dem Antrag festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. Juni 2009 nicht aufgelöst worden sei.

Erst mit Schriftsatz vom 17. Juli 2009, der am selben Tag beim Arbeitsgericht einging, erhob der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch gegen die erste Kündigung vom 25. Juni 2009 Klage.

Das beklagte Krankenhaus hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe gegen die Kündigung vom 25. Juni 2009 nicht rechtzeitig innerhalb der 3-Wochenfrist des § 4 KSchG Klage erhoben.

Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben sich dieser Auffassung angeschlossen.

Die Entscheidung

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und festgestellt, dass die Klage gegen die erste Kündigung vom 25. Juni 2009 verspätet war.

Zugang von Kündigungen

Bei einer Kündigung handelt es sich rechtlich um eine Willenserklärung. Unter Abwesenden werden solche Willenserklärungen nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger (= Arbeitnehmer) zugehen.

Hierzu existiert bereits seit langem eine feste Rechtsprechung. Willenserklärungen gehen dann zu, wenn sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangen und für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen. Zum Bereich des Empfängers gehören auch von ihm vorgehaltene Empfangseinrichtungen wie z.B. ein Briefkasten. Ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist nach den „gewöhnlichen Verhältnissen“ und den „Gepflogenheiten des Verkehrs“ zu beurteilen. So bewirkt der Einwurf in einen Briefkasten den Zugang sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Dabei ist nicht auf die individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, sondern im Interesse der Rechtssicherheit zu generalisieren.

Hinweis für die Praxis

Bei Hausbriefkästen ist mit einer Leerung im Allgemeinen zum Zeitpunkt der üblichen Postzustellzeiten zu rechnen, die allerdings im Einzelfall stark variieren können.

Zugang auch während Urlaub

Es kommt damit nicht auf die tatsächliche Kenntnisnahme an, sondern allein auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme. Es ist deshalb unerheblich, ob und wann der Empfänger die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit, Urlaub oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war. In solchen Fällen trifft allein den Empfänger die Obliegenheit, die nötigen Vorkehrungen für eine tatsächliche Kenntnisnahme zu treffen. Unterlässt er solche Vorkehrungen, wird der Zugang aus solchen - allein in seiner Person liegenden - Gründen nicht ausgeschlossen.

Ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben kann diesem deshalb selbst dann zugehen, wenn der Arbeitgeber von einer urlaubsbedingten Ortsabwesenheit weiß.

Hinweis für die Praxis

Kündigungsschreiben gehen also auch während des Urlaubs am Tag der Zustellung bzw. der möglichen Kenntnisnahme zu. Selbst wenn der Arbeitnehmer wegen des Urlaubs nicht innerhalb von drei Wochen gerechnet ab Zugang die Klage einreichen kann, bleibt er deshalb nicht schutzlos. Ist ein Arbeitnehmer nämlich infolge von Urlaubsabwesenheit unverschuldet an einer rechtzeitigen Klageerhebung gehindert, besteht die Möglichkeit einer so genannten nachträglichen Zulassung seiner Klage gem. § 5 KSchG.

Fazit

Kündigungsschreiben gehen dann zu, wenn sie in die Verfügungsgewalt des Empfängers (= Arbeitnehmer) gelangen und dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Dies ist nach nunmehr klarer Rechtsprechung auch während der Urlaubsabwesenheit des Arbeitnehmers der Fall. Auf die Kenntnis des Arbeitgebers von dem Aufenthalt des Arbeitnehmers im Ausland kommt es daher für den fristgerechten Zugang nicht an. Aber: Der Arbeitgeber muss den Zugang natürlich nachweisen können. Wir können daher nur unsere bereits mehrfach dargelegte Empfehlung dringend wiederholen, Kündigungsschreiben allein durch einen vertrauenswürdigen Boten persönlich im Original zustellen zu lassen (Der Bote muss natürlich vollumfängliche Kenntnis vom Inhalt dieses Schreibens haben und dies sowie das Datum, die Uhrzeit, den Ort und die Person des Empfängers (= Arbeitnehmer) im Rahmen der Zustellung protokollieren und dieses Protokoll als Zeuge eigenhändig unterschreiben. Der Bote darf kein Mitglied der Geschäftsführung bzw. des Vorstands sein.) und von anderen Zustellarten wie etwa Einwurf- und/oder Übergabe-Einschreiben in jedem Fall abzusehen.

(Autor: Rechtsanwalt Christian M. Müller, EVENTUS Rechtsberatung, www.eventusrechtsberatung.de)